Bericht von Simone Dahli aus Iquitos, Peru
Iquitos – Tag 23 der peruanischen Quarantäne
Frauen dürfen heute auf die Strasse
Trotz strenger Ausgangssperre nimmt die Zahl der Neuerkrankten täglich zu. Deshalb hat der Präsident letzte Woche seinem Volk eine noch strengere Ausgangssperre auferlegt. Man darf nur noch Geschlechter getrennt auf die Strasse. Montag, Mittwoch und Freitag dürfen die Männer raus. Dienstag, Donnerstag und Samstag die Frauen und am Sonntag überhaupt niemand. Damit wird versucht, die Anzahl der Menschen auf den Märkten noch einmal zu reduzieren.
Zwischen 5.00 und 9.00 morgens darf man Lebensmittel, Medikamente kaufen oder zur Bank gehen. Danach soll man sich nicht mehr auf den Strassen aufhalten. Ab 16.00 herrscht totale Ausgangssperre. Das Militär und die Polizei sind sehr radikal und nehmen jeden fest, der sich nicht daranhält.
Ich verstehe die peruanische Regierung, dass sie mit allen Mitteln versucht die Ausbreitung des Covid-19 zu verhindern. Der Präsident ist sehr präsent und kommuniziert klar und deutlich. Das Amazonasgebiet Loreto ist mittlerweile das zweitstärkste betroffene Gebiet nach Lima und gleichzeitig auch eines der ärmsten Gebiete Perus. Die Politiker in Lima ärgern sich über die Menschen hier im Amazonas, weil sie sich nicht strikt an die Ausgangssperre halten würden. Aber liebe Herren und Frauen Politiker…wie stellt ihr euch das vor? Die Menschen müssen ihre Hütten verlassen, um nach Essen zu suchen. Sie haben keinen Kühlschrank zu Hause, um verderbliche Nahrungsmittel bei täglichen Temperaturen über 30C zu lagern und sie haben auch kein Geld, um Vorräte für eine längere Zeit zu kaufen. Die Menschen in den Armenvierteln müssen ihre Hütte verlassen, wenn sie nicht verhungern wollen. Es gibt auch viele Menschen im Zentrum von Iquitos, die in gemieteten Zimmern ohne Kochgelegenheit wohnen. Sie essen normalerweise an den Strassenständen. Auch die öffentlichen Comedores populares sind geschlossen, wo die von Armut betroffenen Menschen für ganz wenig Geld Essen erhalten. Und weil auch die Zeit auf dem Markt von 5.00 – 9.00 begrenzt ist, drängen sich während wenigen Stunden natürlich besonders viele Menschen eng gedrängt um die Marktstände. Das Risiko sich hier zu infizieren ist deshalb besonders hoch.
Der Staat verteilt einen Bonus von ca. 100 CHF an von Armut betroffene Familien. Aber wie kann es sein, dass keine von meinen vielen Familien aus extremer Armut von diesem Bonus profitieren kann? Viele der armen Menschen sind nirgendwo registriert und können so auch nicht von sozialen Projekten profitieren. Der peruanische Staat hat gute Projekte und Ideen, aber an der Ausführung mangelt es noch. Die soziale Ungerechtigkeit ist immer noch sehr gross in diesem Land.
Viele Menschen haben Hunger und sind verzweifelt. Wir kaufen immer noch Nahrungsmittel und Medikamente für die ärmsten Familien hier in Iquitos. Vielen Dank an alle, die für diese Menschen in Not gespendet haben oder es noch tun werden. Wir sind euch unglaublich dankbar.
Liebe Grüsse aus dem Dschungel.
Simone Dahli